Oder: Der Schwindel mit den Klimazertifikaten
Wirklich getraut haben wir der Sache nie. Trotzdem waren wir über das Ausmass und die Dreistigkeit schockiert, als Anfang 2023 Journalist:innen der Zeit, des Guardian und des britischen Reporterpools SourceMaterial die Wahrheit hinter den Kompensationszertifikaten aufdeckten. Über die Jahre wurden Millionen solcher CO2-Zertifikaten verkauft, die nie hätten existieren dürfen. Es wurden keine Treibhausgasemissionen eingespart, aber die Unternehmen schmückten sich mit einem umweltfreundlichen Image – ein Vorgehen, das auch als Greenwashing bekannt ist. Renommierte Firmen vergaben die dafür benötigten Zertifikate und versprachen, dass das CO2 tatsächlich irgendwo auf der Welt eingespart wird.
Diesen Ablasshandel gibt es nicht nur für Unternehmen; auch Privatpersonen sollen so ihre Emissionen ausgleichen können. Zum Beispiel beim Shoppen mit einem zusätzlichen Häkchen bei “Ich möchte die CO2-Emissionen meines Einkaufs vollständig kompensieren”. Oder in Kombination mit einem Rechner, der einem die Tonnen Treibhausegase des letzten Flugs aufzeigt und dazu gleich den Betrag, mit welchem dem der Schaden kompensiert werden kann. Spätestens seit der Aufdeckung durch die Zeit bleibt bei diesem Geschäft höchstens noch das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben. Und die verlorene Zeit im Kampf gegen den Klimawandel – eine Rechnung, die am Ende künftige Generationen bezahlen werden.
Was ist mit den Organisationen, Unternehmen und Privatpersonen, die bereit sind, Mittel für wirklich wirksame Projekte bereitzustellen? Was für Alternativen zu den Zertifikaten gibt es? Wie können wirklich zukunftsfähige Massnahmen identifiziert werden? Und vor allem: Wie kann Transparenz so geschaffen werden, dass sich der Skandal wie hier beschrieben nicht noch einmal wiederholen kann? Wir möchten zu einem breiten Austausch einladen und sind gespannt auf eure Ideen.